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Revision des Aktienrechts (Teil 3): Neuerungen im Bereich des Verwaltungsrats, der Reserven und Zwischendividende sowie des Sanierungsrechts

1. Dezember 2022 - 
Diverses

Die am 1. Januar 2023 in Kraft tretende Aktienrechtsrevision (Änderung des Obligationenrechts) bringt neben Änderungen bei den Gründungs- und Kapitalvorschriften (vgl. Beitrag über die Revision des Aktienrechts (Teil 1)) sowie bei den Bestimmungen zur Generalversammlung und den Aktionärsrechten (vgl. Beitrag über die Revision des Aktienrechts (Teil 2)) auch Neuerungen im Bereich des Verwaltungsrats, der Reserven und Zwischendividende sowie des Sanierungsrechts. Nachfolgend werden ausgewählte Neuerungen in den letztgenannten Bereichen für nicht börsenkotierte Aktiengesellschaften kurz vorgestellt.

Verwaltungsrat

Wie bereits aus den Bestimmungen für börsenkotierte Gesellschaften bekannt, sollen künftig die Mitglieder des Verwaltungsrats einzeln gewählt werden. Die Wahl des Verwaltungsrats lässt sich aber weiterhin in globo durchführen, falls dies in den Statuten vorgesehen ist oder der Vorsitzende der Generalversammlung dies mit Zustimmung sämtlicher vertretenen Aktionäre anordnet.

Der Verwaltungsrat kann seine Beschlüsse wie bisher an einer physischen Sitzung oder unter Verwendung elektronischer Mittel (in sinngemässer Anwendung der Bestimmungen zur Generalversammlung) fassen. Zudem wird dem Verwaltungsrat die Möglichkeit eingeräumt, die Beschlussfassung ohne Sitzung auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form – beispielsweise als E-Mail oder als SMS – vorzunehmen. Bei elektronischen Beschlüssen sind grundsätzlich keine Unterschriften erforderlich, es sei denn, der Verwaltungsrat hat schriftlich etwas Anderes festgelegt.

Aufgrund ihrer Sorgfalts- und Treuepflichten sind die Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung bereits unter geltendem Recht dazu angehalten, Interessenkonflikte so weit wie möglich zu vermeiden. Das neue Aktienrecht schreibt nun ausdrücklich vor, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung unverzüglich und vollständig den Verwaltungsrat über Interessenkonflikte informieren müssen.

Möchte der Verwaltungsrat die Geschäftsführung an Dritte, wie zum Beispiel an die Geschäftsleitung, delegieren, so ist unter dem neuen Aktienrecht keine statutarische Ermächtigung mehr notwendig. Soll eine Delegation hingegen nicht zulässig sein, so muss dieses Verbot explizit in die Statuten aufgenommen werden.
 

Reserven und Zwischendividende

In Umsetzung der neuen Rechnungslegungsbestimmungen wird bei den Reserven zwischen der gesetzlichen Kapitalreserve und der Gewinnreserve (welche wiederum in eine gesetzliche und eine freiwillige Gewinnreserve unterteilt werden kann) unterschieden. Während die gesetzliche Kapitalreserve das Agio, den Kaduzierungsgewinn und sonstige Einlagen und Zuschüsse der Aktionäre einschliesst, umfassen die Gewinnreserven alle Reserven, die aus einbehaltenen Gewinnen der Gesellschaft gebildet werden.

Das neue Aktienrecht klärt zudem das umstrittene Thema der Zwischendividende (Interimsdividende): Gestützt auf einen Zwischenabschluss darf der Gewinn des laufenden Geschäftsjahrs ausgeschüttet werden. Wie bei der ordentlichen Dividende muss der Zwischenabschluss von der Revisionsstelle vorher geprüft werden, wenn die Gesellschaft über eine solche verfügt. Ausnahmen: (i) Sofern alle Aktionäre zustimmen und die Forderungen der Gläubiger nicht gefährdet werden, kann auf diese Prüfung verzichtet werden; (ii) bei Gesellschaften mit einem Opting-out muss der Zwischenabschluss ebenfalls nicht geprüft werden.
 

Sanierungstatbestände

Die Gläubiger von Aktiengesellschaften werden durch sanierungsrechtliche Vorschriften geschützt, welche im neuen Aktienrecht weiter präzisiert werden und teilweise neue Handlungspflichten für die Gesellschaft und deren Verwaltungsrat vorsehen.

Wie bisher hat der Verwaltungsrat die Zahlungsfähigkeit der Aktiengesellschaft zu überwachen. In diesem Zusammenhang führt die Aktienrechtsrevision den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein: Droht eine Gesellschaft zahlungsunfähig zu werden, muss der Verwaltungsrat mit gebotener Eile entweder Schritte zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit (Bereitstellung von Liquidität) einleiten oder Sanierungsmassnahmen ergreifen oder solche der Generalversammlung vorschlagen (beispielsweise Kapitalschnitt oder Kapitalerhöhung). Ferner kann der Verwaltungsrat beim Nachlassgericht ein Gesuch um Nachlassstundung einreichen. Obwohl das künftige Recht nicht zwingend die Erstellung eines Liquiditätsplans vorschreibt, dürfte sich aber ein solcher als Basis für die vorgenannten Massnahmen in der Regel aufdrängen.

Die künftige Regelung zum hälftigen Kapitalverlust knüpft an das geltende Recht an. Jedoch wird neu klargestellt, dass nur der nicht ausschüttbare Teil der gesetzlichen Kapital- und Gewinnreserven in die Berechnung des Kapitalverlusts miteinbezogen wird, was insbesondere für Unternehmen in der Wachstumsphase eine Erleichterung darstellt. Ausserdem wurde die Gesetzesbestimmung gestrichen, wonach der Verwaltungsrat im Falle eines hälftigen Kapitalverlusts umgehend eine Generalversammlung einberufen muss. Gesellschaften ohne Revisionsstelle müssen künftig im Falle eines hälftigen Kapitalverlusts ihre letzte Jahresrechnung durch einen zugelassenen Revisor eingeschränkt prüfen lassen, bevor sie von der Generalversammlung genehmigt wird, es sei denn, der Verwaltungsrat hat ein Gesuch um Nachlassstundung eingereicht. Für die Ernennung des Revisors ist der Verwaltungsrat zuständig.

Die Berechnung der Überschuldung bleibt im neuen Aktienrecht unverändert. Besteht begründete Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so ist ein Zwischenabschluss zu erstellen. Dabei hält das neue Aktienrecht fest, dass bei Vermutung der Unternehmensfortführung auf einen Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten verzichtet werden kann, sofern der Zwischenabschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung aufweist. Ist die Annahme der Fortführung nicht gegeben, so genügt ein Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten. Wie beim hälftigen Kapitalverlust sind die Zwischenabschlüsse (zu Fortführungs- und/oder Veräusserungswerten) in jedem Fall durch einen zugelassenen Revisor zu prüfen. Ist die Gesellschaft gemäss beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, muss das Gericht benachrichtigt werden. Die neuen Gesetzesbestimmungen sehen vor, dass der Verwaltungsrat auf die Benachrichtigung des Gerichts verzichten kann, wenn (i) im Ausmass der Überschuldung Rangrücktritte über den geschuldeten Betrag und die Zinsforderungen vorliegen oder (ii) begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse, behoben werden kann und die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden. 

Handlungsbedarf

Nach Inkrafttreten der Aktienrechtsrevision besteht eine Übergangsfrist zur Anpassung der Statuten und Reglemente von zwei Jahren. Nicht mit dem neuen Recht vereinbare Bestimmungen in den bestehenden Statuten treten anschliessend ausser Kraft. Damit die neuen Möglichkeiten des Aktienrechts genutzt werden können, ist die Überprüfung der Statuten und Organisationsreglemente zu empfehlen. Ferner erfordern die neuen sanierungsrechtlichen Bestimmungen, dass das gesellschaftsinterne Kontrollsystem in dieser Hinsicht aktualisiert und die für die Finanzen zuständigen Personen entsprechend informiert werden.

Autoren

Pascal Stocker

Pascal
 
Stocker

CMS von Erlach Partners AG, Zürich

Rechtsanwalt 

Alexandra Stocker

Alexandra
 
Stocker

CMS von Erlach Partners AG

Rechtsanwältin

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