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Revision des Aktienrechts (Teil 2): Neuerungen im Bereich der Generalversammlung und der Mitgliedschaftsrechte von Aktionären

26. Oktober 2022 - 
Diverses

Am 1. Januar 2023 wird das neue Aktienrecht (Änderung des Obligationenrechts) in Kraft treten. Die Aktienrechtsrevision bringt Änderungen bei den Gründungs- und Kapitalvorschriften (vgl. Beitrag über die Revision des Aktienrechts (Teil 1)). Daneben modernisiert das neue Recht die Bestimmungen zur Generalversammlung, stärkt die Aktionärsrechte und erlaubt ausdrücklich die Einführung einer statutarischen Schiedsklausel. Nachfolgend werden ausgewählte Neuerungen für nicht börsenkotierte Aktiengesellschaften in den vorgenannten Bereichen vorgestellt.

Einberufung der Generalversammlung

Generalversammlungen sollen in Zukunft auch auf elektronischem Weg (etwa per E-Mail) einberufen werden können, sofern die Statuten diese Möglichkeit vorsehen. Auch der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht können den Aktionären künftig elektronisch zugänglich gemacht werden.

Ausserdem enthält das neue Aktienrecht detaillierte Anforderungen an den Inhalt der Einberufung. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass ein Verhandlungsgegenstand nur Aspekte umfassen darf, die eng miteinander verknüpft sind oder sich gegenseitig bedingen (Einheit der Materie). Des Weiteren müssen die Aktionäre alle Informationen erhalten, die sie für die Beschlussfassung benötigen.

Tagungsort(e) der Generalversammlung

In Bezug auf die Durchführung wird die Möglichkeit eingeräumt, die Generalversammlung gleichzeitig an verschiedenen Orten abzuhalten. In diesem Fall müssen die Voten der Teilnehmer in Bild und Ton an allen Tagungsorten direkt übertragen werden.

Weiter kann eine Generalversammlung neu explizit an Tagungsorten im Ausland durchgeführt werden. Voraussetzung hierfür ist eine Grundlage in den Statuten und die Bezeichnung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters (wobei mit Zustimmung aller Aktionäre darauf verzichtet werden kann).

Verwendung elektronischer Mittel im Rahmen der Generalversammlung

Wie bereits unter den aktuellen COVID-Bestimmungen ist die Generalversammlung unter dem revidierten Aktienrecht nicht mehr zwingend (rein) physisch durchzuführen. Die neuen Bestimmungen bieten einerseits die Möglichkeit, dass Aktionäre, die nicht am Tagungsort physisch anwesend sind, ihre Rechte auf elektronischem Weg wahrnehmen können (hybride Generalversammlung). Andererseits wird es auch möglich sein, eine Generalversammlung ausschliesslich auf elektronischem Weg und ohne physischen Tagungsort abzuhalten (beispielsweise mittels Zoom oder Microsoft Teams). Eine solch rein virtuelle Generalversammlung setzt voraus, dass eine entsprechende Grundlage in den Statuten vorhanden ist und ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter bezeichnet wird (hierauf kann verzichtet werden, falls dies in den Statuten so vorgesehen ist).

Sofern eine Generalversammlung unter Verwendung von elektronischen Mitteln durchgeführt werden soll, muss der Verwaltungsrat sicherstellen, dass (i) die Identität der Teilnehmenden bekannt ist, (ii) die Voten unmittelbar übertragen werden, (iii) alle Teilnehmenden Anträge stellen und sich an Diskussionen beteiligen können und (iv) das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann.

Sollten während der Generalversammlung technische Probleme mit der von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Infrastruktur auftreten, so dass die ordnungsgemässe Durchführung der Versammlung nicht gewährleistet ist, muss diese wiederholt werden. Beschlüsse, die vor dem Auftreten der technischen Probleme gefasst wurden, bleiben allerdings gültig.

Universalversammlung und schriftliche Beschlussfassung der Generalversammlung

Die neuen Regelungen vereinfachen auch das Abhalten einer Universalversammlung, da hier künftig eine hybride oder rein virtuelle Versammlung möglich sein wird, sodass nicht mehr alle Aktionäre physisch anwesend sein müssen.

Ferner können Beschlüsse neu auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form gefasst werden, es sei denn, ein Aktionär verlangt eine mündliche Beratung.

Aktionärsrechte

Die revidierten Gesetzesbestimmungen stärken die Rechte der Aktionäre, indem sie der Generalversammlung weitere unübertragbare Befugnisse einräumen. Ausserdem wird der Katalog von Beschlüssen, die eine qualifizierte Mehrheit (2/3 der vertretenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte) erfordern, erweitert. Davon erfasst werden beispielsweise die Einführung einer Statutenbestimmung zur Durchführung der Generalversammlung im Ausland (vgl. oben), zum Verzicht auf die Bezeichnung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters für die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung (vgl. oben) sowie einer statutarischen Schiedsklausel (vgl. unten).

Auch das Recht der Aktionäre, die Aufnahme von Verhandlungsgegenständen zu verlangen oder Anträge zu stellen, wird durch das revidierte Aktienrecht vereinfacht, indem die Schwelle auf 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmrechte gesenkt wird.

Während Aktionäre gegenwärtig nur das Recht haben, an der Generalversammlung Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen, können sie künftig ihr Auskunftsrecht inner- oder ausserhalb der Generalversammlung geltend machen, sofern sie mindestens 10 % des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten. Was das Einsichtsrecht in die Geschäftsbücher und Akten der Gesellschaft anbelangt, so können Aktionäre, welche zusammen mindestens 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen auf sich vereinen, dies beim Verwaltungsrat verlangen, ohne dass eine Ermächtigung der Generalversammlung notwendig wäre. Bei der Einsichtnahme dürfen Notizen angefertigt werden und die Aktionäre können sich durch eine fachkundige Person begleiten lassen.

Um die Position der Revisionsstelle im Gefüge der aktienrechtlichen Corporate Governance zu stärken, kann die Generalversammlung in Zukunft die Revisionsstelle nur noch aus wichtigen Gründen vor dem Ende des Geschäftsjahres abberufen.

Statutarische Schiedsklausel

Das revidierte Aktienrecht räumt Aktiengesellschaften ausdrücklich die Möglichkeit ein, in ihren Statuten festzulegen, dass über gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten nicht ein staatliches Gericht, sondern ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz entscheiden soll. Der Anwendungsbereich der Schiedsklausel kann nach Belieben eingeschränkt werden, indem beispielsweise nur bestimmte Rechtsverhältnisse oder Ansprüche davon erfasst werden. Die Statuten müssen aber sicherstellen, dass Personen, die von der Wirkung des Schiedsspruchs unmittelbar betroffen sein können, über die Einleitung und Beendigung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt werden und an der Bestellung des Schiedsgerichts und als Partei im Verfahren teilnehmen können. Die Statuten können die Einzelheiten des Schiedsverfahrens regeln und / oder auf eine Schiedsordnung verweisen.

Hat eine Gesellschaft eine statutarische Schiedsklausel eingeführt, so muss dies zur Publizität im Handelsregister eingetragen werden.

Handlungsbedarf

Nach Inkrafttreten des neuen Aktienrechts am 1. Januar 2023 besteht eine Übergangsfrist von zwei Jahren zur Anpassung der Statuten und Reglemente. Danach werden Bestimmungen, die nicht mit dem neuen Recht vereinbar sind, automatisch unwirksam. Da die neu eingeräumten Möglichkeiten in den meisten Fällen noch keinen Eingang in die Statuten und Reglemente fanden oder diese gar Bestimmungen enthalten, die dem neuen Recht widersprechen, empfiehlt es sich, die Statuten und Reglemente im Hinblick auf das revidierte Aktienrecht zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Pascal Stocker

Pascal
 
Stocker

CMS von Erlach Partners AG, Zürich

Rechtsanwalt 

Alexandra Stocker

Alexandra
 
Stocker

CMS von Erlach Partners AG

Rechtsanwältin

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