EU VAT

Reform EU VAT 1. Juli 2021 und weitere Kuriositäten

20. Juli 2021 - 
Steuern

Die VAT in der EU ist im stetigen Wandel und die Neuerungen führen bei vielen Schweizer Leistungsanbietern dazu, dass bewährte grenzüberschreitende Handelsabläufe neu konzipiert werden müssen. 

1. MWST-Digitalpaket

Die Europäische Kommission will mehrwertsteuerliche Pflichten für Unternehmen vereinheitlichen, die grenzüberschreitende Lieferungen und Dienstleistungen an Endkunden (B2C) erbringen. Sie will damit sicherstellen, dass die Mehrwertsteuer auf diesen Umsätzen korrekt an den Mitgliedstaat abgeführt wird, in dem die Leistung konsumiert bzw. verbraucht wird. In diesem Bereich trat die erste legislative Änderung bereits 2015 in Kraft. Die zweite Etappe des MWST-Digitalpakets wurde nun im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 per 1. Juli 2021 umgesetzt. Nebst den Erweiterungen im Bereich OSS sind Änderungen beim Versandhandel an Privatpersonen, die Schaffung einer Sonderregelung für Sendungen mit einem Sachwert bis 150 Euro, bei denen der IOSS nicht genutzt wird, sowie die Abschaffung der 22-Euro-Freigrenze bei der Einfuhrumsatzsteuer vorgesehen.

Einortsregistrierung ab 1. Juli 2021

Der Begriff OSS bezeichnet das Besteuerungsverfahren „One-Stop-Shop“, welches in der EU per 1. Juli 2021 in Kraft gesetzt wurde. Bisher konnte die Einortsregistrierung für EU-weite Umsätze im System „MOSS“ nur für die Abrechnung von Umsätzen aus Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronischen Dienstleistungen im Bereich B2C genutzt werden. Nun wurde der Katalog um unter dieses besondere Besteuerungsverfahren fallenden Leistungen erweitert. Künftig gibt es im Rahmen des OSS eine:

 

  • EU-Regelung
  • Nicht-EU-Regelung
  • Einfuhrregelung (IOSS)

Dabei ist zu beachten, dass die Teilnahme am OSS nur möglich sein wird, wenn der OSS einheitlich für die gesamte EU genutzt wird.
 

1.1 EU-Regelung (§ 18j UStG-E)

EU-Unternehmer können zukünftig im OSS melden: 

  • alle sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer, die in anderem Mitgliedstaat zu besteuern sind 
  • innergemeinschaftliche Fernverkäufe 
  • fiktive Reihengeschäfte (§ 3 Abs. 3a S. 1 UStG-E)

 

1.2 Nicht-EU-Regelung (§ 18i UStG-E)

Drittlands-Unternehmer und somit Schweizer Unternehmer können zukünftig alle sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer (B2C) mit Leistungsort in der EU im OSS melden. 
 

 

1.3 Einfuhrregelung (§ 18k UStG-E)

Sowohl Drittlands-Unternehmer als auch EU-Unternehmer können künftig den Fernverkauf von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro im OSS melden (sogenannter „Import-One-Stop-Shop“, kurz „IOSS“). In diesem Fall ist die Einfuhr der Waren gemäss § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG-E steuerfrei. Eine weitere Voraussetzung für die steuerfreie Einfuhr ist, dass bei der Zollanmeldung die Gültigkeit der individuellen Identifikationsnummer des Unternehmers oder dessen Vertreters von der Zollstelle geprüft wird. Diese zusätzliche Identifikationsnummer wird von der zuständigen Zollstelle erteilt.

Die Meldemodalitäten im OSS erfahren nur marginale Änderungen. Die Steuererklärungen sind weiterhin vierteljährlich abzugeben. Die Fristen für die Abgabe der Erklärungen über OSS sowie die Fälligkeit der Steuerschuld werden jedoch im Vergleich zu MOSS um zehn Tage verlängert. Die neue Frist läuft somit am Ende des dem Quartal folgenden Monats ab. Ferner wird es dem Unternehmer ermöglicht, Berichtigungen in der jeweils aktuellen Steuererklärung vorzunehmen (anstelle einer Berichtigung der bereits eingereichten Erklärung).
 

2. Neuerungen Versteuerungspflichten

2.1 Reiseveranstalter

Das deutsche Bundesfinanzministerium zieht mit Publikation vom 29. März 2021 die Notbremse, nachdem die Absicht, die Besteuerung von Reiseleistungen rückwirkend zu ändern, Entrüstungsstürme ausgelöst hat. Aktuell soll die Besteuerung der Reiseleistungen für Reiseunternehmen mit Sitz ausserhalb der EU um ein Jahr auf den 1. Januar 2022 verschoben werden.
Deutschland und andere Staaten der EU (Kroatien, Dänemark usw.) haben die Besteuerung von Reiseleistungen durch Reiseunternehmen mit Sitz ausserhalb der EU geändert. Dadurch wurden viele Schweizer Reiseunternehmen sofort in Deutschland steuerpflichtig, was eine Registrierung erfordern wird. Diese neue Regelung soll ab dem Jahr 2022 gelten. Dann werden die mit deutschen Leistungen erwirtschafteten Umsätze der deutschen Umsatzsteuer unterliegen und nicht wie in der Vergangenheit nur die Marge. Einen kleinen Trost gibt es für die Reiseunternehmen: Von den Einkaufsrechnungen kann im Gegenzug die Vorsteuer geltend gemacht werden.


2.2 Private Geschäftsfahrzeugnutzung von Grenzgängern

Nach all den Sanktionen und Verschärfungen der letzten Jahre hat der EuGH diesen Januar einen Lichtblick geschaffen. Stellen Schweizer Unternehmen ihren in der EU wohnhaften Mitarbeitenden ein Geschäftsfahrzeug zur Verfügung, sollte zukünftig keine Registration mehr im jeweiligen Land erfolgen.


Überlassen Schweizer Unternehmen an in der EU ansässige Arbeitnehmende ihre Geschäftsfahrzeuge und dürfen die Arbeitnehmenden diese auch für private Zwecke verwenden, wurde dies bisher in vielen europäischen Ländern als entgeltliche langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels angesehen. Da die Vermietung gemäss europäischem Recht an dem Ort steuerbar ist, an dem der Arbeitnehmende seinen Wohnsitz (oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort) hat, wurden einige Schweizer Unternehmen in den angrenzenden Ländern steuerpflichtig und mussten jeweils für die Vermietung die Umsatzsteuer abliefern.


Mit dem EuGH Entscheid vom 20. Januar 2021 / Rs. C 288/19-QM wurde hinsichtlich der Privatnutzung von Geschäftsfahrzeugen durch Arbeitnehmende bezüglich der Ortsqualifizierung der Leistung die deutsche Versteuerungspraxis abweichend der EU-Rechtslage beurteilt. Die Vermietung eines Beförderungsmittels im MWST-rechtlichen Sinne setzte voraus, dass der Eigentümer des Beförderungsmittels dem Mietenden gegen eine Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht, das Fahrzeug zu nutzen, übertrage. Die Voraussetzung der Mietzinszahlung ist jedoch im Fall einer kostenfreien Nutzung eines dem Unternehmen gehörenden Gegenstands nicht erfüllt.


Der EuGH-Entscheid muss noch im nationalen Recht umgesetzt werden. Ob für die in der Vergangenheit zu Unrecht abgelieferte Umsatzsteuer ein Rückvergütungsanspruch besteht, ist noch unklar. 
 

Seminar: MWST Änderungen

Die hier aufgeführten Neuerung sind auch Inhalt eines halbtägigen Seminars, welches die STS zusammen mit der Sektion Zürich durchführt. Der Referent ist der Autor dieses Blog-Beitrags, Rolf Hoppler. Das Seminar findet am 29. Oktober 2021 in Zürich statt oder online (Hybridveranstaltung). Weitere Informationen zum Seminar inkl. Anmeldeformular finden Sie hier.  

Rolf Hoppler-Liesch

Rolf
 
Hoppler-Liesch

Von Graffenried AG Treuhand

Rechtsanwalt / Master of VAT FH, Kader 

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